„Man kann viel darüber reden, aber man muss dann auch machen“, mit diesen Worten begrüßte Matthias Eckmann, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Friedrichshafen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Salon Rouge im Oktober mit dem Thema „Zu wenig und zu teuer - Wie funktioniert sozialer Wohnungsbau?“. Als Referent hatte der Ortsverein Jürgen Schipek, Geschäftsführer der Städtischen Wohnbaugesellschaft (SWG), eingeladen, der einen kurzweiligen Impulsvortrag hielt.
Der Faktencheck zu Beginn machte die aktuelle Lage deutlich, denn die Anzahl der öffentlich geförderten Wohnungen ist in den letzten Jahren stark gesunken: Waren es 1987 rund vier Millionen, so sind es heute nur noch rund eine Millionen. „Sozialer Wohnungsbau ist unsexy“, stellte Schipek daher fest. Dabei habe die Mittelschicht Anspruch auf Wohnraumförderung. Dies könne sich der Staat jedoch nicht leisten. Zudem seien die Baupreise stärker gestiegen als die Mieten: „50 Prozent Steigerung der Baupreise in den letzten vier Jahren, steht einer Mieterhöhung von 16 Prozent gegenüber“, erklärte der Fachmann. Damit sei die Wirtschaftlichkeit nicht abgedeckt, was Wohnungsbaugesellschaften in ein Dilemma bringt. „Als GmbH muss alles zum Wohle der Gesellschafter ausgelegt sein, nicht aber zum Wohle der Gesellschaft“, wurde Schipek deutlich.
Eine aktuelle Maßnahme der SWG ist darum, vorhandene Wohnungen zu aktivieren und in die Bindung für sozialen Wohnraum zu nehmen. Wohnungen im Bestand können meistens baulich nicht oder nur schwer verändert werden. „Wir matchen darum durch unser Faires Mietenmodell und das innovativen Wohnungstauschkonzept Mietende und Wohnungen. Wir kümmern uns aktiv um unsere Kundinnen und Kunden“, sagte Schipek. Dies sei ein neues Vorgehen und ein bedarfsorientiertes und ausgewogenes Modell. Der neue Modus erhöht die Mieten leicht, weißt aber zusätzlich auf die Beantragung von beispielweise Wohngeld hin und bemisst sich bei maximal 30% des Haushaltseinkommen. Das Tauschkonzept sieht vor, alleinstehenden älteren Person, die in einer sehr großen Wohnung leben auf Wunsch eine geeignete Wohnung anzubieten, die kleiner sein kann, barrierefrei und mit einem Aufzug erreichbar ist. „Wir übernehmen sogar die Umzugskosten“, erklärte Schipek. Eine weitere Maßnahme bei der SWG ist das Energiemanagement und die damit verbundene Anlagenoptimierung. Das Ziel hierbei sei, die Betriebskosten und somit die Energiekosten für die Mieterinnen und Mieter zu verringern oder niedrig zu halten.
Matthias Eckmann stellte an Jürgen Schipek die Frage nach seinen drei Wünschen an den Gemeinderat und erhielt dazu konkrete Forderungen. So sei ein schnelleres Bauchrecht, das wirtschaftliches Bauen ermöglicht, notwendig. Das Modell der dezentralen Versorgung sei erfolgsversprechend und die Unterstützung der kommunalen Wohnungsgesellschaften mit Zulagen sei hilfreich.
In der anschließenden Diskussionsrunde richtete sich die erste Frage an die Mietbindungen und ob hier Fristen über 20 Jahre hinaus notwendig seien. Die Bindung können generell vom Gemeinderat festgelegt werden, so Schipek. Dabei müsse die Politik mehr auf Dekaden denken. „Immer wenn das Geld in der Kasse fehlt, werden von den Kommunen Immobilien verkauft. Das ist zu kurzfristig gedacht“, kritisierte Schipek. Der fehlende Zugriff auf Wohnraum für Obdachlose war ein weiteres Diskussionsthema, das kommunalpolitisch gelöst werden muss. „Regionale Lösungen mit den Menschen vor Ort, das sollte im Fokus stehen“, forderte Schipek. Die Wohnungswirtschaft solle kommunal funktionieren. Zudem müsse der Klimaschutz mit den Mietenden gemeinsam gelebt werden. So seien Balkonkraftwerke teilweise sinnvoller als aufwändige und teure Dämmungen. Um der angespannten Wohnungssituation entgegenzuwirken sei zudem das Zweckentfremdungsverbot sinnvoll, wurde von SPD-Seite ergänzt. In Friedrichshafen stünden rund 2.000 Wohnungen leer, bei der SWG selbst gibt es keine Leerstände. „Die Lösung könnte sein, dass die SWG die Vermietung übernimmt und so viele Ängste und Sorgen genommen werden können“, sagte der Experte.
Der SPD-Ortsverein nimmt vielfache Anregungen sowie Ideen aus der Veranstaltung mit und wird diese in Form von Anträgen in den Gemeinderat einbringen. Zudem fließen die Überlegungen zum Teil in das Wahlprogramm der SPD vor Ort ein. Die Genossinnen und Genossen setzen sich weiterhin für eine zügige und vor allem soziale Schaffung von Wohnraum in Friedrichshafen ein.
Der „Salon Rouge“ ist eine Diskussionsrunde des Ortsvereins der SPD Friedrichshafen zu aktuellen Themen. Der nächste Salon Rouge findet am 21.11.2023 um 19 Uhr zum Thema “Herausforderungen im Alltag: Wie kann die Kinderbetreuung sichergestellt werden?” statt. Die Veranstaltung findet im Café des GPZ (Paulinenstraße 12) statt.