Täglich sind wir mit dem Thema Mobilität konfrontiert. Daher hat sich die Diskussionsrunde der SPD Friedrichshafen beim letzten Salon Rouge mit dem Thema „Von der Bahn als Rückgrat, E-Fuels im Pkw und anderen Mythen der Verkehrspolitik“ auseinandergesetzt. Dabei hielt Jakob Hebart, Doktorand am Zeppelin-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin Universität einen Vortrag und stellte vier Thesen auf. In einem weiteren Vortrag wendete sich SPD-Mobilitätsexperte Bernd Caesar der Mobilität in Friedrichshafen und der Region zu.
Jakob Hebart startete mit „Der Bahn als Rückgrat“ und zeigte ein bestehendes Dilemma auf. So gebe es eine steigende Nachfrage im Schienenpersonenfernverkehr mit gleichzeitig umfassenden Qualitätsproblemen. Die überlastete Infrastruktur auf Hauptkorridoren mit dem Nadelöhr rund um Frankfurt sei konträr zur Höhe der Verschuldung und dem minimierten Spielraum für Investitionen in die Infrastruktur. So zog Hebart als Fazit: „Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist die Lebenslüge der Verkehrspolitik.“ Als nächste These stellte er die „Scham vor dem Fliegen“ auf. So lägen die innerdeutschen Flüge ohne Zubringer bei 75 Prozent unter dem Vor-Covid-19-Niveau. Allerdings gebe es im weltweiten Flugverkehr ein Wachstum um jährlich drei Prozent. Lediglich fehlende Kapazitäten bei Flughäfen und Flugzeugflotten würden ein noch schnelleres Wachstum verhindern. „Dass Flugscham den Luftverkehr reduziert, ist eine Illusion, die vom eigentlichen Handlungsbedarf im Luftverkehr ablenkt“, so der Experte. Als dritte These stellte Hebart „E-Fuels im PKW“ vor. Der synthetische Kraftstoff als Ersatz für Benzin und Diesel sei nicht erstrebenswert. Als Grund zeigte er den enormen Strombedarf und dem geringen Wirkungsgrad von E-Fuels auf. E-Autos seien mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent viel effektiver. Somit fasste er diese These zusammen: „E-Fuels werden nicht im PKW sondern ausschließlich im Luft- und Seeverkehr sowie in der Industrie zum Einsatz kommen.“ Zuletzt diskutierte er die These, dass Fahrradfahrer:innen und Fußgänger:innen weniger Kaufkraft mitbringen würden als Autofahrer:innen. Dies sei durch viele wissenschaftliche Studien inzwischen widerlegt. Fahrradfahrer:innen seien die besseren Kunden, da sie mehr einzelne Käufe tätigen und neben dem Handel insbesondere die Gastronomie beleben. Sogar auf die Zahl der Beschäftigten wirke sich der Radverkehr positiv aus. „Der Umbau von Parkplätzen zu Radwegen führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Kaufkraft im Einzelhandel,“ so der Experte.
Die vier genannten Thesen erweiterte SPD-Mobilitätsexperte Bernd Caesar in seinem Impulsvortrag und zeigte anhand der spanischen Stadt Pontevedra mit rund 80.000 Einwohner:innen die “Stadt ohne Auto” auf. Hier seien die Emissionen um knapp 70 Prozent zurück gegangen, die Umsätze seien gestiegen, der Einzelhandel habe von dem Verkehrsprojekt profitiert und die Einwohnerzahl einen Zuwachs erfahren. “In Friedrichshafen sind 31,5 Hektar nur fürs “heilige Blechle” als Parkplätze verbaut,” so Caesar. Das sei mehr als der Riedlewald an Fläche hat. Dabei sei der Abbau des Pendlerverkehrs durch eine bessere Abstimmung des ÖPNV auf die Berufszeiten sowie Anschluss-Garantien ein wichtiger Baustein. Er fordert zudem, die Lücken im Radnetz zu schließen: Der Velo-Ring könne mit wenig Aufwand um einen “Inneren Velo-Ring” ergänzt werden. “Fahrradparkplätze bzw. -parkhäuser sowie die Tennung von Fuß- und Radverkehr sind wichtig, damit beides gestärkt wird”, erklärte der SPD-Mobilitätsexperte. Abschließend erläuterte Caesar die aktuelle Situation der Bodenseegürtelbahn sowie der B31-B30-Bündelungstrasse.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde über das Dilemma der Bahn, der PKW-Maut sowie über die Steigerung des ÖPNV diskutiert. “Verkehrspolitik, die alle glücklich macht, gibt es nicht”, sagte Jakob Hebart. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren über die “Stadt ohne Auto” erstaunt und zugleich begeistert über dieses Verkehrsprojekt. “Die SPD-Friedrichshafen beschäftigt sich generell mit dem Thema Mobilität und es wird eine zentrale Rolle im Wahlkampf sein”, beendete Matthias Eckmann, Vorsitzender des SPD Ortsvereins und Stadtrat, den kurzweiligen Salon Rouge.