Haushaltsrede 2020

Veröffentlicht am 30.06.2020 in Pressemitteilungen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

Haushaltsplanung in Zeiten von Corona ist eine schwierige Aufgabe. Corona hat die Koordinaten verschoben. Wir befinden uns in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Nachkriegszeit.

Unsere Gesellschaft ist in dieser existentiellen Krise überraschend anpassungsfähig. Seien wir froh darüber, wie gut unsere politischen Institutionen und Verwaltungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene funktionieren. Nach Expertenmeinung hat die Bundesrepublik diese Krise mit am besten im Vergleich mit allen anderen betroffenen Staaten bestanden.

Auch unsere Stadtverwaltung hat die Bewährungsprobe durch die Corona-Krise gut bewältigt. Sie handelte rasch und entschlossen und stellte auf den Krisenmodus um. Unser Klinikum bereitete sich ohne Verzug auf eine Vielzahl von Corona-Patienten vor – insbesondere durch eine starke Erhöhung der Beatmungsplätze. Gott sei dank kam es nicht zur befürchteten Überlastung unserer Krankenhäuser.

Der Oberbürgermeister, die Bürgermeister, die Stadtverwaltung und die Kliniken und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen unseren Dank und unsere Anerkennung für diese großartige Leistung.

Infolge der wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise war auch für den Haushalt als unser kommunales Regierungsprogramm eine völlige Neuorientierung notwendig. Die Rahmenbedingungen des ursprünglichen Haushaltsentwurfs haben sich total verändert. Insbesondere die Einnahmen stürzten ab.  Bei der Gewerbesteuer, dem kommunalen Anteil an der Einkommenssteuer, aber auch bei anderen Einkommensarten – wie zum Beispiel Gebühren – waren starke Rückgänge zu verzeichnen.

Um hier rasch zu reagieren war es sinnvoll, den Doppelhaushalt 2020/2021 aufzugeben und sich zunächst auf den Haushalt 2020 im Sinne eines Not- oder Zwischenhaushalts zu konzentrieren. Zu viele Unsicherheiten hätten diesen geplanten Doppelhaushalt zu einem Vabanque-Spiel gemacht. Zwar gibt es inzwischen positive Zeichen: So wollen Bund und Land die Gewerbesteuer-Ausfälle offenbar voll ausgleichen, aber es bleiben immer noch zu viele Imponderabilien.

Fast alle Fraktionen, so auch die SPD, haben sich daher entschlossen, ihre Anträge für den Doppelhaushalt 2020/2021 für das Haushaltsjahr 2020 zurückzustellen. Wir werden daher heute auch entsprechend abstimmen.

Der Doppelhaushalt 2021/2022 muss daher zu einem Strategie-Haushalt werden. Werden in diesem Jahr, das faktisch nach Genehmigung des Haushalts durch das Regierungspräsidium nur einen Spielraum von 4 bis 5 Monaten lässt, keine entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft gestellt, so muss das umso mehr für den kommenden Haushalt 2021/2022 gelten. Hier werden wir klare Prioritäten setzen müssen.  

Das Deutsche Institut für Urbanistik führt regelmäßig Befragungen der Oberbürgermeister und Bürgermeister nach den Haupt- und Zukunftsaufgaben der Kommunen durch. Die aktuelle Umfrage – kurz vor der Corona-Krise – hatte das Ergebnis, Rang 1: Klimaschutz, Rang 2: Mobilität, Rang 3: Digitalisierung, Rang 4: Wohnen, Rang 5: Finanzen und Rang 6: Wirtschaft. Diesen Prioritäten müssen auch wir uns stellen, sie müssen das kommunale Handeln leiten und durchdringen – auch schon für 2020 und die laufende Verwaltung. Die Corona-Krise darf diese Ziele nicht überdecken.

Der Schutz des Klimas und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels werden unsere Kommunalpolitik grundlegend bestimmen. Das Klimaanpassungskonzept und das Energie- und Klimaschutzkonzept Friedrichshafen 2030 müssen daher rasch beschlossen und durch die konsequente Realisierung konkreter Projekte umgesetzt werden.

Bauleitplanung und einzelne Bauvorhaben müssen zum Beispiel unter dem Aspekt des Klimaschutzes jeweils besonders geprüft werden. Dabei ist ein Schwerpunkt auf die Energieeinsparung zu legen. Vorhaben – wie der hochwassersichere Ausbau der Rotach als Klimaanpassungsprojekt oder der Ausbau der Solarenergie auf städtischen Dächern - müssen vorangetrieben werden. Die Begrünung der Innenstadt wird auch die Aufenthaltsqualität entscheidend verbessern. Gerade hier muss rasch gehandelt werden, ohne erst einen großen Masterplan abzuwarten.  Die Bewerbung um den European Energy Award ist fortzusetzen, auch um entsprechende Finanzmittel zu akquirieren. Ein im nächsten Haushalt vorzusehender Klimamanager hat die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen zu koordinieren.

Bei der Verbesserung der Mobilität ist insbesondere der Rad- und Fussgängeranteil am innerstädtischen Verkehr durch entsprechende Maßnahmen zu erhöhen und der ÖPNV hinsichtlich Linien und Taktfolge weiter zu optimieren. Der Verkehrsentwicklungsplan steht schon zu lange auf der Agenda. Wenn er umgesetzt wird, sind wahrscheinlich die zugrunde liegenden Zahlen und Annahmen überholt. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Verkehrsführung auf der Friedrichsstraße und des damit zusammenhängenden Straßensystems rasch neu zu konzipieren und der Veloring Stück um Stück umzusetzen. Die von der SPD seit einigen Jahren geforderte Stelle eines Mobilitätsmanagers ist endlich zu schaffen. Die Unterstützung des Ausbaus der Bodensee-Gürtelbahn als zentralem Projekt des ÖPNV in unserer Region ist fortzusetzen.

Bei der Digitalisierung wird es um eine Verbesserung der Breitbandverkabelung und einen Ausbau der digitalen Vernetzung von Verwaltung, Bürgern und Schulen gehen. Hier hat die Corona-Krise durch die notwendige Schaffung von Home-Office-Arbeitsplätzen und die bessere Erreichbarkeit der Schüler über das Internet einen Entwicklungsschub gegeben.

Die Stadt hat durch die Einrichtung eines Amtes, dessen Schwerpunkt die Digitalisierung bildet, schon vor der Corona-Krise organisatorisch und personell gehandelt.

Das Thema Wohnen beschäftigt uns seit vielen Jahren. Hier haben wir durch die entsprechenden Förderprogramme erfolgreich reagiert. Hunderte neuer Wohnungen sind entstanden. Dennoch wird das Wohnungsproblem weiterhin drängen. Wir sollten deshalb rasch Bebauungspläne, die bereits in den Gremien beschlossen sind, wie z.B. Lachenäcker in Kluftern oder Ittenhausen-Nord umsetzen. Diese Umsetzung wird durch Beiträge der Bauwilligen zu einem hohen Prozentsatz refinanziert. Die Schließung von Baulücken durch entsprechende Anreize bleibt ebenfalls eine Daueraufgabe.

Durch die gegenwärtige Krise sind unsere Betriebe, Hotels, Gaststätten und ähnliche Einrichtungen stark betroffen und teilweise existenzgefährdet. Hier ist eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung wichtig, die ihre Ermessensspielräume z.B. bei Genehmigungen im Interesse der Betroffenen nutzt. Bei der Stundung von Gebühren und ähnlichen Zahlungsverpflichtungen hat die Verwaltung bereits vorbildlich gehandelt.

Hoffen wir im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass unsere Stiftungsbetriebe ZF und Zeppelin, aber auch MTU, Airbus und die anderen Arbeitgeber in unserer Stadt die gegenwärtige Krise möglichst schadlos überstehen.

Die SPD-Fraktion setzt sich für den Neubau des KOH ein. Es gibt kaum eine originärere Aufgabe der Zeppelin-Stiftung als die Förderung der Betreuung und Pflege unserer alten Mitbürgerinnen und Mitbürger, auf deren Schultern wir stehen und die die Grundlage für unseren heutigen Wohlstand geschaffen haben. Die im selben Gebäude geplante Kita ist ebenfalls überfällig.

Auch der Umbau der Obdachlosenunterkunft K7 ist uns ein wichtiges Anliegen. Menschen in Notlagen haben einen Anspruch auf eine Unterbringung, die ihre Intimsphäre wahrt und Aggressionspotentiale abbaut.

Schließlich stehen wir als Fraktion ganz klar hinter unserem Klinikum. Gerade die Corona-Krise hat bewiesen, dass es wichtig ist, dass es sich in unserer kommunalen Hand befindet. Es wurde und wird hier hervorragende Arbeit geleistet. Wir müssen die finanzielle Schieflage beseitigen. Auch hier gilt, dass es für die ursprüngliche Idee der Zeppelin-Stiftung kaum eine geeignetere Aufgabe gibt, als die Versorgung unserer kranken Mitmenschen.

Dass Schulen, Kindertagesstätten und kulturelle Einrichtungen wie unsere Museen, das Graf-Zeppelin-Haus, die Volkshochschule und die Musikschule weiterhin im Fokus unseres Engagements stehen, brauche ich wohl nicht zu betonen.

Die großen Stadtentwicklungsprojekte – Neugestaltung des Uferparks, neues Museumskonzept, Neukonzeption Hinterer Hafen - müssen zeitlich neu aufgestellt werden. An ihrer Notwendigkeit besteht kein Zweifel.

Die Stärkung des Ehrenamtes, das sich gerade in der Corona-Krise außerordentlich bewährt hat als Garant unseres Gemeinschaftslebens, ist für uns ebenfalls ein Kernanliegen.  Vereine und Wohlfahrtseinrichtungen verdienen unsere Unterstützung. Es kann nicht sein, dass eine Wohlfahrtseinrichtung – wie z.B. das Rote Kreuz, das durch seine soziale Arbeit unersetzlich ist - durch die Corona-Krise unverdientermaßen in eine Existenzkrise gerät, weil ihre Einnahmen durch den Shutdown aufgrund dieser Krise wegfallen. Hier müssen wir helfen.

Beim Personal unterstützen wir die Absicht der Verwaltung, neu zu schaffende Stellen erst ab 2021 zu besetzen und jede Stelle auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Das Personal leistet so einen Beitrag von über 1 Million Euro zur Sanierung des Haushalts 2020 – das verdient Anerkennung. Allerdings ist auch klar, dass unsere Stadt bei der Fülle ihrer Aufgaben entsprechend qualifiziertes Personal braucht, das seiner Arbeit motiviert nachkommt.

Zusammenfassend darf ich für unsere Fraktion erklären, dass wir den Beschlussanträgen zum Haushalt 2020 zustimmen werden. Wir bedanken uns bei allen, die an der schwierigen Erstellung des Haushalts mitgewirkt haben.